Sexueller Missbrauch
Was ist sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Gewalt in der Kindheit?
Jede sexuelle Handlung, die an oder vor Kindern vorgenommen wird, bezeichnet man als sexuellen Missbrauch. Auch sexuelle Handlungen, denen Kinder bzw. Jugendliche aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht willentlich zustimmen können, werden als sexueller Missbrauch bezeichnet.
Expert*innen gehen davon aus, dass sich in jeder Schulklasse durchschnittlich 2-3 Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs befinden. Man geht davon aus, dass etwa jedes 3. bis 4. Mädchen sowie jeder 7. bis 8. Junge von sexuellem Missbrauch betroffen sind.
Beim sexuellen Missbrauch nutzt der Täter ein bestehendes Vertrauens- oder Abhängigkeitsverhältnis, sowie seine Macht und Autorität systematisch aus.
Beispiele für sexuellen Missbrauch:
Sexueller Missbrauch liegt z.B. dann vor, wenn eine erwachsene oder deutlich ältere Person:
- Mädchen oder Jungen dazu bewegt, sexuelle Handlungen an sich selbst oder dem Erwachsenen vorzunehmen,
- sie auffordert, sich nackt zu zeigen,
- ihnen pornografische Aufnahmen zeigt oder sie dazu bewegt, bei solchen Aufnahmen mitzumachen,
- seinen Penis am Körper eines Mädchens oder Jungen reibt,
- mit Mädchen oder Jungen analen, oralen oder vaginalen Geschlechtsverkehr ausübt.
Täter versuchen oft, durch Beziehungsangebote, Geschenke oder durch eine bevorzugte Behandlung des Kindes dessen Vertrauen zu gewinnen. Zunächst stellen sie über sozial gebilligte Berührungen Körperkontakt her, der dann zunehmend mehr sexualisiert wird und später in offene sexuelle Handlungen übergeht.
Die vermeintlich freiwillige Beteiligung der Mädchen und Jungen wird benutzt, um Schuldgefühle zu wecken und eine Aufdeckung zu erschweren. Die Kinder fürchten, für das Auseinanderbrechen der Familie oder die Bestrafung des Täters verantwortlich zu sein, wenn sie sich einer Vertrauensperson öffnen, und diese Ängste und Schuldgefühle werden vom Täter systematisch ausgenutzt.
Beispiele für die Folgen sexuellen Missbrauchs
Missbrauchte Kinder erfahren, dass ihr Körper für die Befriedigung anderer benutzt wird. Ihre persönlichen Grenzen, ihre Bedürfnisse und Willensäußerungen werden immer wieder übergangen.
Die Dauer des sexuellen Missbrauchs, das Alter des Kindes, die Beziehung zum Täter und die Art der Missbrauchshandlungen beeinflussen die Folgen für die Kinder. Ein wichtiger Faktor ist auch die individuelle Persönlichkeit des Kindes. Sehr bedeutend für die Folgen ist außerdem die Reaktion des sozialen Umfeldes. Ein unterstützendes Umfeld, das den Kindern Glauben schenkt, kann die Folgen abmildern.
Meist bestehen diese Folgen nicht nur kurzfristig, sondern die Betroffenen leiden auch mittel- und langfristig darunter.
Was können Sie als Angehörige*r oder Unterstützer*in tun?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Kind bzw. ein*e Jugendliche*r sexuell missbraucht wird, ist das oberste Gebot, Ruhe zu bewahren und nicht in Hektik oder Aktionismus zu verfallen. Der Wunsch, den sexuellen Missbrauch sofort zu stoppen, ist sehr verständlich. Oft werden dabei aber Fehler gemacht, die die Situation des Kindes weiter verschlechtern. Mögliche Interventionen – wie z.B. Konfrontation einer Familie, eines vermeintlichen Täters oder eine Strafanzeige – sollten daher unbedingt mit professioneller Unterstützung erfolgen. Dasselbe gilt für den Umgang mit dem betroffenen Kind.
Zunächst ist es sinnvoll, sich selbst eine Vertrauensperson (z.B. Freund*in, Kolleg*in) zu suchen, um über den Verdacht, die eigenen Unsicherheiten und Zweifel zu sprechen. Darüber hinaus ist es ratsam, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen (z.B. in unserer Beratungsstelle, beim Kieler Mädchenhaus (0431/8058881) oder im Kinderschutz-Zentrum (0431/122180). Bei Schulkindern empfiehlt es sich, wenn möglich, auch die Schulsozialpädagogin bzw. den Schulsozialpädagogen einzubeziehen. Es gibt auch die Möglichkeit sich beim „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ beraten zu lassen. (bundesweit, kostenfrei und anonym unter 0800 22 55 530).
Was können Sie als Betroffene tun?
Betroffene von sexuellem Missbrauch schlagen sehr unterschiedliche Wege ein, um damit umzugehen, und die Art der Bewältigung kann sehr verschieden sein. Oft ist es eine erste Entlastung, mit einer Vertrauensperson (z.B. einer Freundin oder einem Freund) über den Missbrauch sprechen zu können.
Vielen betroffenen Frauen hilft der Kontakt zu anderen Frauen, die ähnliche Erfahrungen machen mussten, z.B. in einer Selbsthilfegruppe. Auch das Aufsuchen einer Fachberatungsstelle wie die unsere kann ein wichtiger Schritt bei der Suche nach dem individuell geeigneten Weg zur Verarbeitung der Gewalterfahrungen sein. Unsere Einrichtung bietet kostenlose Beratung an und vermittelt ggf. auf Wunsch Adressen von erfahrenen Therapeut*innen, Ärzt*innen und Rechtsanwält*innen.
Auch eine juristische Gegenwehr in Form eines Strafverfahrens ist oft nach Jahren noch möglich. Eine Anzeige sollte sehr gut überlegt werden und nicht ohne eine vorherige Beratung mit einer kompetenten Rechtanwält*in erfolgen. Sexueller Missbrauch ist ein sogenanntes Offizialdelikt. Sobald die Polizei oder Staatsanwaltschaft davon erfährt, ist sie verpflichtet, zu ermitteln. Das heißt, eine Anzeige kann nicht wieder zurückgezogen werden.
Im Falle einer Strafanzeige ist es hilfreich, gut über den weiteren Verfahrensverlauf, die eigenen Rechte im Verfahren, über mögliche Opferschutzmaßnahmen informiert zu sein. Auch Informationen über die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychosozialen Prozessbegleitung sind hilfreich. Unsere Einrichtung bietet entsprechende Informationen und darüber hinaus psychosoziale Prozessbegleitung im Strafprozess an.
Ausführlichere Informationen zum Thema finden Sie im längeren Text zum Download rechts auf dieser Seite. Beide Textversionen sind stark gekürzte und modifizierte Fassungen des Textes auf der Website des bff. Dort finden Sie auch noch weitergehende Informationen zum Thema.